Von Klaus Frederking
December 2001. Hamburg, Germany


 
 

Er ist die Stimme des afghanischen Volkes in der Welt

 

   
 

Am 25. Dezember gibt Farhad Draya im Audimax Hamburg ein Benefizkonzert für die notleidenden Kinder seiner Heimat

Kabul am 13. November: Beim Friseur stehen die Männer Schlange, um sich ihre Bärte abnehmen zu lassen. Im Basar kaufen Frauen die hastig gefüllten Regale mit Make-up und Toilettenartikeln leer. Und im Radio spielt Musik, zum ersten mal seit fast fünf Jahren: "Lasst mich die Hymne der afghanischen Nation singen", klingt es aus den Lautsprechern. Die afghanische Hauptstadt ist von den Taliban befreit. Zögernd und unsicher, wie nach dem ersten Regen am Ende der Trockenzeit, sprießen Pflänzchen der Lebenslust durch die Kruste rigider Verbote und Tabus. Die Stimme, die als erste über den Äther ertönt, gehört Farhad Draya, dem beliebtesten Popsänger des Landes. Tags darauf findet er über 150 Interviewanfragen aus aller Welt in seinem elektronischen Briefkasten - und Tausende von E-Mails seiner Fans. Am 1. Weihnachtsfeiertag kommt Farhad Darya zu einem Benefizkonzert nach Hamburg.

"Lasst mich Lieder singen", fleht die Stimme aus dem Radio, als Mittel gegen "die Qualen meines heimatlos umherwandernden Volkes". Nicht nur in diesem Lied formt Farhad Daryas Gesang die Worte für das Heimweh seiner über den ganzen Erdball verstreuten Landsleute. "Kannst du eine Reise unternehmen ins geliebte Kabul?", fragt ein Text aus der Feder des berühmten afghanischen Dichters Qahar Asi, der 1994 in Kabul einem Raketenangriff zum Opfer fiel. Darya, der die Musik dazu komponierte, nahm das Lied in Paris auf. Es war das erste Jahr seines Exils.
Wie viele andere Künstler, denen der Bürgerkrieg die Arbeit unmöglich machte, war er in den Westen geflohen. Sein erster längerer Zwischenstopp war Hamburg. Anschließend lebte er einige Jahre im Ruhrgebiet, wo er sich seine mittlerweile eingerosteten Deutschkenntnisse erwarb - und, wie er schmunzelnd erzählt, eine Verballhornung seines Vornamens, den Spitznamen Fahrrad.



Seit 1995 lebt der 39-jährige Sänger im US-Bundesstaat Virginia. Unermüdlich bastelt er an neuen Projekten - gezeichnet von chronischem Schlafmangel und getrieben von dem kaum zu stillenden Bedarf seines umherwandernden Volkes nach Balsam für die verwundete Seele. Kaum ein afghanischer Musiker ist so vielseitig und so ideenreich wie Farhad Darya. Dies zeigt schon der Zickzack-Kurs seiner künstlerischen Laufbahn. Er begann mit der Kunstmusik, die starke Anleihen bei der nordindischen klassischen Musik macht. Dann vollzog Darya einen Schwenk zur einheimischen Folklore, um schließlich beim Pop zu landen. Dabei verwendet er volksmusikalische Stilelemente, vermischt sie aber miteinander und gibt ihnen so einen neuen Kontext. Farhad Darya will nicht Usbeken, Tadschiken und Paschtunen einzeln bedienen, sondern vielmehr mit seinen Liedern Trennungslinien überwinden. Hier wird seine sanfte Stimme ausnahmsweise etwas lauter: "Dies ist der zentrale Punkt meiner Arbeit."

Farhad Daryas letzte CD enthält Songs für den Film "Foreign Land", der exemplarisch den dornenreichen Weg ins Exil beschreibt. Wie alle Vorgänger findet man auch diese Platte bei uns nur in einem der afghanischen Supermärkte, die von Rosenwasser bis zu Videos made in India alles verkaufen, was die Migrantenfamilien brauchen.

Mehrere Monate im Jahr ist der Sänger nun unterwegs, von Melbourne nach Mailand, von Stockholm nach London. Regelmäßig kommt er auch nach Hamburg, wo er im vergangenen Jahr, unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit, im fast ausverkauften Audimax gastierte. Für den letzten September war im Hamburger Stadtpark zum ersten Mal ein Auftritt angesetzt, der sich, mit Heinz Rudolf Kunze als zweiter Attraktion, bewusst sowohl an das afghanische als auch an das deutsche Publikum wandte. Ein drohendes Sturmgewitter führte jedoch zur Absage des Konzerts.

Oft spendet Darya seine Gagen einer Organisation, die in den Flüchtlingslagern in Pakistan und dem Iran Überlebenshilfe leistet. Er hat das schon vor dem 11. September getan. "Ich denke weniger an die, die hier leben", räumt er ein. "Ich bin einer von ihnen, ich verstehe sie, ich mache die gleichen Erfahrungen wie sie." Wozu auch gehöre, dass sie einen Teil ihres afghanischen Wesens verlören. "Am meisten aber", sagt Darya, "sind meine Gedanken bei denen, die in Afghanistan leben, im Iran, in Pakistan, Russland, Indien".

Sein Konzert am 1. Weihnachtsfeiertag im Audimax dient wieder einem guten Zweck. Der Erlös soll speziell den Kindern in seiner Heimat zugute kommen. Das Geld geht an "Afghanistan in Not e.V.", eine Spendeninitiative, die Hamburgs Ausländerbeauftragte Ursula Neumann gemeinsam mit Vertretern der afghanischen Bevölkerung in Hamburg ins Leben gerufen hat.

Saryas vierköpfige Band verwendet einen Synthesizer, verzichtet aber darüber hinaus auf die elektronischen Hilfsmittel, deren üppigen Einsatz Kenner dieser Musik häufig beklagen. Statt dessen spielt das afghanische Nationalinstrument, der Rubab, eine Art Laute, flankiert von zwei Perkussionisten, die Hauptrolle.

Was ändert sich für ihn, was ändert sich für sein hiesiges Publikum, wenn in seiner Heimat eine neue Ära beginnt? Farhad Darya hat für sich eine vieldeutige Antwort gefunden: "Ich trage Afghanistan in meinem Herzen und auf meinen Schultern."

 

 

 

   
 
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